45 Jahre Kita – eine Spurensuche
Was unterscheidet eine kleine Kindertagesstätte von den meisten anderen? Was „einmal Kita, immer Kita“ für die kleine, aber lebendige Kita Glacisweg in Freiburg bedeutet wird nicht nur anhand deren Geschichte greifbar. Eine kleine, bescheidene Spurensuche zum 45-jährigen Jubiläum dieser wahrscheinlich einzigartigen Einrichtung.
Die Kita Glacisweg erwuchs im Jahre 1972 in Folge der 68er Bewegung mit dem Ziel, Kindern möglichst große Freiräume zu gewähren und einen Raum zu schaffen, in welchem sie ausprobieren, lernen und selbständige Erfahrungen machen können ohne unter unnötigen Kontrollen und Reglementierungen leiden und aufwachsen zu müssen. Die Kinder sollen bei alledem im Mittelpunkt stehen und die nötigen Strukturen dabei selbst organisiert werden.
Eine Kita-Leitung gab es im herkömmlichen Sinne noch nie. Sämtliche Entscheidungen, organisatorischer und inhaltlicher/pädagogischer Art, wurden und werden noch immer gemeinsam besprochen und diskutiert.
Zur Anfangszeit 1972 war das Studentenwerk (heute Studierendenwerk) Träger der Kita und der Krabbelstube, letztere war im Werderring untergebracht. Das Studentenwerk beschloss, die Räume der Krabbelstube der Forstwirtschaftlichen Fakultät zu geben, und dann deren Krabbelkinder in den Räumen der Kita im Glacisweg unterzubringen. Um das zu ermöglichen, erließ das Studentenwerk einen Aufnahmestopp für die Kita, daraus sollte eine Schließung der Kita folgen.
Im März 1981 bestand die Kita also nur noch aus acht Kindern. Zur gleichen Zeit wurde der besetzte Schwarzwaldhof geräumt, in der sich auch zwei Kindergruppen befanden, die daraufhin ebenfalls auf der Straße standen. Sie wurden solidarisch in die Kita aufgenommen, und die Räume im Glacisweg von engagierten Erzieherinnen und Eltern besetzt.
[RDL Badische Antenne vom 17.06.1982 zur drohenden Räumung der KITA Glacisweg]
Schon damals war klar, dass sich die Ziele der Kita, und mit ihnen vor allem die Anliegen der Kinder, nicht einfach wegrationalisieren ließen. Die besetzten Räume konnten, dank hartem Kampf und leidenschaftlichem Einsatz aller Beteiligten, vier Jahre lang gehalten werden. Eine Räumung fand nicht mehr statt, da die Kita in der Nacht zum 11.03.1985 völlig ausbrannte.
Die Jahre des Kampfes, in welchen auch der Trägerverein ‚Kita Glacisweg e.V.‘ entstand, sollten sich lohnen, stellte die Stadt Freiburg ab 1985 der Kita nun doch Räume in der Faulerstraße 20 (heute Grether-Süd) zur Verfügung. Ein Umzug stand an, und somit waren wieder einmal Improvisation und Einfallsreichtum gefragt. Tugenden, an denen es dieser Kita glücklicherweise noch nie gefehlt hat, und die schließlich aus der Illegalität in einen halbwegs „normalen“ Kita-Alltag führen sollten.
Doch schon fünf Jahre später war es wieder soweit: Der nächste Umzug stand bevor. Diesmal aufgrund einer Bleiverseuchung des Geländes. Der Kampf um Ersatz und Sanierung der Kitaräume begann wieder einmal von vorn. Als auch diese Hürde genommen war, lief der damals gültige Nutzungsvertrag aus, den der Hausbesitzer nicht verlängerte. Also ging die Raumsuch-, oder besser Raumerkämpfungs-Odysee in die nächste Runde.
[RDL-Beitrag vom 8. Juli 1994: „KiTa an der Faulerstraße erhält Kündigung“]
Nach einem weiteren Umzug ist die Kita Glacisweg, seit dem Jahre 2000 auf dem Grethergelände des Mietshäuser-Syndikates beheimatet, – als hoffentlich letzte Station.
Die Kita Glacisweg ist heute auch Ausbildungsort für angehende ErzieherInnen. Es arbeiten schon Kinder der ersten ErzieherInnen-Generation als ErzieherInnen in der Kita. Und das sogar gemeinsam im Team mit ihren Eltern.
Es gibt zwar keine Wartelisten in der Kita, aber die Liste der InteressentInnen ist lang, und das liegt nicht nur am grundsätzlichen Mangel an Kindertagesstätten. Es ist vor allem der herzliche und direkte Umgang untereinander. ErzieherInnen, Kinder und Eltern sind untereinander ‚per Du‘,und die Verbindungen bleiben meist über viele Jahre, selbst Jahrzehnte, bestehen.
Gleichzeitig ist die Kita auch sozial & politisch verknüpft. Die Lage neben Rasthaus, Freiem Radio (Radio Dreyeckland), Rosa Hilfe, dem Büro des Mietshäusersydikates und vieler weiterer politischer Gruppen sorgt für „kurze Wege“. Natürlich zieht die Kita durch Gegenwart und Geschichte auch politisch aktive Menschen an, seien es Eltern oder ErzieherInnen.
Auch im Jahre 2017 steht die Kita nach wie vor für eine Erziehung und Bildung, in deren Mittelpunkt nicht etwa der Wettbewerb oder das neoliberale Bildungsideal steht, sondern die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes, so unterschiedlich sie auch sind. Dies ist möglich durch gegenseitigen Respekt, durch Unterstützung und Solidarität. Denn in der Kita unterstützen sich alle, ob beim Essen-Kochen, der Kita-Hütte im Sommer, Ausflügen oder im Alltag beim Kita-Putz.
Der UnterstützerInnen-Kreis wächst von Jahr zu Jahr, denn: Einmal Kita bedeutet schließlich immer Kita!
Am 30.09.2017 feiert die Kita Glacisweg e.V. ihr 45-jähriges Jubiläum mit einem ausgelassenen Fest.
Wir sagen
Alles Gute, Kita! KITA AUJA!
„RDL gratuliert zum 40jährigen“, Artikel von Radio Dreyeckland vom 5. November 2012 und ein Studiogespräch vom 7. November 2012. „Erzieherinnen und Erzieher berichten im Studiogespräch über 40 Jahre voller Renitenz und Lebendigkeit“:
„Ich find, dass die Kita lockerer war…“, Bericht und Interview von Radio Dreyeckland vom 21. September 2017 zum 45. Geburtstag unserer Kita:
„In der Kita Glacisweg gibt es besondere familiäre Konstellationen“, Artikel der Badischen Zeitung vom 8. Januar 2018.
„Danke Kita!“ Zu ihrem Abschied haben die Schulkinder 2017 gemeinsam mit ihren Eltern einen Song über die Kita gedichtet: